Leserbrief Ausgabe 171

Die irrlichternde Technologieoffenheit
Oder warum Sie dem Versprechen auf Synthetische Gase oder E-Fuels nicht auf den Laim gehen sollten.
Im Moment ist es gerade Mode Ihnen zu erzählen es wäre eine Option auf Verbrennungstechnologie zu setzen (sei es für die Mobilität oder für den Austausch bzw. die Erneuerung Ihrer Heizung).
Dahinter steckt die Erzählung, dass man ja heute einen Wasserstoff-Ready-(Ver-)Brenner kaufen kann und nur darauf warten muss, bis die fossilen Brennstoffe durch grüne ersetzt werden.
„Wasserstoff-Ready“ meint, dass sie wie bisher, eine übliche Heizung oder ein Auto kaufen, das zwar heute mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, die aber dann, wenn es die Alternative gibt, einfach mit grün erzeugten Treibstoffen weiterlaufen können.
Dahinter steckt nun wieder die Idee, dass Sie sich vermeintlich oder tatsächlich hohe Investitionen sparen und dann trotzdem irgendwann „CO2-neutral“ werden können.
Hört sich verlockend an, ist aber tatsächlich eine Wette auf die Zukunft.
Und der Witz bei der Sache ist, dass jeder, der sich darauf einlässt, die Wette bereits verloren hat, denn die schlechte Nachricht ist:
Diese Brennstoffe kommen nicht (zumindest nicht für Sie zu bezahlbaren Preisen).
Und dafür gibt es ein paar ganz simple und sehr leicht nachvollziehbare Gründe. Diese will ich versuchen im Folgenden zu erklären. Da steckt keine höhere Mathematik dahinter, es sind allgemein bekannte Fakten, die ganz leicht im Internet zu überprüfen sind.
Die beiden Sie betreffenden Punkte sind die Mobilität (also das Fahren von „A“ nach „B“) und die warme Stube (das Heizen). Darum werde ich mich darauf konzentrieren und betrachte nur die Wirkungsgrade der einzelnen Technologien:
1. „Verbrenner-Mobilität“ gegenüber „E-Mobilität“ und
2. „Verbrenner-Heizung“ gegenüber „Wärmepumpe“.
Es geht darum festzustellen welche Technologie am effizientesten mit der verfügbaren Energie umgeht und abzuschätzen welchen Aufwand wir als Gesellschaft (und damit auch Sie) betreiben müssen, um diese Energie bereit zu stellen.
Alle beschriebenen Methoden gehen davon aus, dass CO2-neutraler oder grüner Strom die Grundlage für alles ist.
Ob Sie dabei an Windkraft, Photovoltaik oder gar Atomkraft oder was auch immer denken ist dabei vollkommen bedeutungslos …. Sie werden es sehen.
Ich werde das hier am Beispiel Windkraft durchgehen.
Um grünen Strom zu erzeugen, müssen Sie Sonnen- oder Windenergie in Strom umwandeln. Der Wirkungsgrad einer Photovoltaikanlage (PV) liegt bei ca. 20%. Jener einer Windkraftanlage bei ca. 35% (Atomkraft dürfte ähnlich sein).
Bezogen auf die Windkraft heißt das, dass aus 1 Kilowattstunde (kWh) nutzbarer Windenergie „nur“ 0,35 kWh (gleich 350 Wattstunden (Wh)) elektrischer Strom erzeugt werden können.
Jetzt stellt sich die Frage, welche Prozesse muss ich daran anschließen, um daraus meinen „Nutzen“ (also „Autofahren“, oder „Heizen“) zu generieren. Und genau hier liegt der „Hase im Pfeffer“.
1. Mobilität
1.1 Verbrenner-Mobilität
1.1.1Um an grünen Wasserstoff zu kommen, müssen Sie aus Wasser in der Elektrolyse mit (grünem) Strom Wasserstoff erzeugen (der Stoff, aus dem die Träume sind). Das geschieht mit einem Wirkungsgrad von ca. 60% oder ein bisschen mehr.
Das heißt, von den 350 Watt bleiben ca. 210 Wh übrig.
1.1.2 Wenn Sie an E-Fuels denken müssen Sie aus dem Wasserstoff mindestens Methan (praktisch dasselbe wie Erdgas) machen. Wirkungsgrad ggf. auch so um die 60%.
Das heißt, von den 210 Watt bleiben wiederum nur 60% übrig, was 126 Wh entspricht.
1.1.3 Weitere Prozessschritte lassen wir mal außer Acht.
1.1.4 Dann stecken Sie das Ganze in einen Verbrennungsmotor. Wirkungsgrad, wenn alles im Optimum läuft (was fast nie der Fall ist), 45% Diesel- und 20% Benzinmotor.
Das heißt, von den 126 Wh bleiben beim Diesel 56 Wh und beim Benziner 25 Wh übrig und das ist noch sehr „schön gerechnet“.
Für den Benziner sind das mal gerade 2,5% die übrig bleiben (bei ungünstigen Fahrbedingungen wird es noch viel übler).
D.h. aus 1000 Wh Windenergie machen Sie im allerbesten Fall (Diesel bei optimalen Betriebsbedingungen) 56 Wh Nutzenergie (Fahrleistung).
1.2 Jetzt zur E-Mobilität
1.2.1Hier wird derselbe grüne Strom über einen Wechselrichter in einen Akku geladen. Wirkungsgrad größer 90%.
Das heißt, aus 350 Wh werden 315 Wh.
1.2.2 Der Akku selbst hat auch ein paar Verluste. Sagen wir mal Wirkungsgrad 90%.
Das heißt, aus 315 Wh werden 283 Wh.
1.2.3Dann muss das wieder in Antriebstrom umgewandelt werden, auch wieder 90%.
Das heißt, aus 283 Wh werden 255 Wh.
1.2.4Der Wirkungsgrad eines E-Motors liegt bei sagenhaften 90% und höher.
Das heißt, von den 255 Wh werden 230 Wh in Antriebsleistung umgewandelt. Beim E-Auto fahren Sie also mit einem Wirkungsgrad von ca. 23% (und das ist alles eher konservativ gerechnet).
Vergleichen Sie die Zahlen miteinander: 56 bzw. 25 Wh Verbrenner gegenüber 230 Wh E-Mobilität.
Damit steht das Verhältnis der Energieeffizienz der Verbrenner- zur E-Mobilität bei ca. „1 zu 5“ bis „1 zu 10“, je nachdem ob Sie sich den Diesel oder Benziner anschauen.
Das bedeutet Sie müssen das 5 bis 10 Fache an C02-neutraler Energie aufwenden, um dieselbe Fahrleistung zu erzeugen wie beim Verbrenner.
Über die Konsequenzen reden wir weiter unten.
2. Heizung.
2.1 Verbrenner-Heizung (Wasserstoff-Ready)
2.1.1Wie in 1.1.1 wird in der Elektrolyse Wasserstoff produziert. Wirkungsgrad ca. 60%.
Das heißt, aus 350Wh werden die oben schon genannten 210 Wh.
2.1.2Für die Heizung (den Brenner) nehmen wir einen Wirkungsgrad von 90% an.
Das heißt, aus 210Wh werden die oben schon genannten 189 Wh.
(na immerhin ca. 19%)
2.2 Jetzt zur Wärmepumpen-Heizung
2.2.1 Aus dem Wind machen Sie im selben Prozess, wie unter 1.2 (E-Mobilität) beschrieben zunächst Speicherstrom, den Sie für den Wärmepumpenbetrieb wieder zurückwandeln müssen und dabei wieder bei 255 Wh (siehe 1.2.3) erzielen.
2.2.2 Eine Wärmepumpe erzeugt aus einer Kilowattstunde (kWh) elektrischen Stroms, je nach Typ zwischen 3,5 und 4,5 kWh Heizleistung. In „Wirkungsgrad“ ausgedrückt sind das 350% bzw. 450% für die Wärmepumpen (dahinter steckt der Begriff der „Jahresarbeitszahl“, wen es interessiert).
Das wiederum heißt, aus den oben berechneten 255 Wh, werden in einer Wärmepumpe 890 Wh bzw. 1150 Wh , was einem Gesamt-Wirkungsgrad von 89% bis 115% entspricht.
89 bis 115% !!!  Das ist fantastisch. Aus einer Kilowattstunde Windenergie machen Sie eine Kilowattstunde Heizenergie. Wenn Sie den Windstrom direkt in die Wärmepumpe stecken, werden aus 89 bis 115% ganz schnell 120 bis 150%. (das sollte der Stoff sein, aus dem die Träume sind).
Bitte bedenken Sie, die vorstehenden Erläuterungen beziehen sich auf die im „Wind“ steckende Energie. Bei anderen CO2-neutralen Energiequellen sieht die Rechnung leicht anders aus, aber ich überlasse es Ihnen, das bei Bedarf selbst zu rechnen.
Schwer zu glauben, aber so ist es. Und auch hier wurde wieder konservativ gerechnet.
Am Ende vergleichen Sie wieder die Zahlen. Das Verhältnis der Energieeffizienz Verbrenner zur Wärmepumpenheizung liegt bei 1 zu 4.6 bis 1 zu 6.
Und jetzt die Konsequenzen.
1. Im Klartext heißt das nichts Anderes, als dass die benötigte Fläche für grünen Strom, also PV oder Windkraftanlage (oder auch Atomkraftwerkskapazitäten) zu ver-4-fachen bis hin zu ver-10-fachen ist, um die Verbrenner-Technologie am Leben zu erhalten.
Das kann unmöglich unser Interesse sein.
Anmerkung: Nicht falsch verstehen: Es geht nicht um den jetzigen Bestand an grünen Energiequellen der zu vervielfachen ist, es geht um den Bestand, den wir Aufbauen müssen, um uns insgesamt CO2-neutral versorgen zu können. Also Investitionen die wir erst noch tätigen müsse.
2.Zu glauben, dass diese Vervielfachung des Anlagenaufwands keinen Kosteneffekt für die daraus gewonnen Synthetischen Gase oder E-Fuels hat, ist, sagen wir mal vorsichtig, „kindlich naiv“. Gehen Sie von einem Kosten-Faktor von 4 aus, denn um mindestens diesen Faktor werden synthetische Kraftstoffe teurer sein als die Vergleichspreise bei E-Technologien (ein Faktor 10 sollte Sie am Ende auch nicht überraschen).
Wenn Sie das riskieren wollen? … nur zu.
3.Gehen Sie weiterhin davon aus, dass wir in Deutschland eine Industrie haben, die sehr dringend genau auf diese Kraftstoffe wartet, um CO2-neutral zu werden. Und das werden bevorzugt jene Industrien sein (z.B. Chemie, Stahl, Schwerlastverkehr, ggf. Luftverkehr) die den Wasserstoff als Prozessstoff oder Antriebsmittel benötigen.
Und denen wollen wir diesen Rohstoff entziehen, damit wir als private Haushalte weiter mit Verbrennungsmotor und -heizung leben können?
Damit zerstören wird gedankenlos eine zentrale Säule unserer Volkswirtschaft.
Diese Industriezweige gehören unterstützt und nicht behindert.
4. Auch der Hinweis auf den Bezug von grünem Wasserstoff aus der großen weiten Welt hilft nicht wirklich weiter, weil wir dann, in altbekannter Manier, unsere Probleme nur in die Welt exportieren.
Natürlich kann das für ferne Länder ein Geschäftsmodell sein, soll es auch. Aber es ändert rein gar nichts daran, dass die Anlagenkosten, die Aufwände für die Erzeugung des benötigten grünen Stroms, explodieren werden, ob hier oder wo anders, um am Ende doch nur ein ineffizientes System weiter betreiben zu können
Denken Sie beim Heizungseinbau dreimal nach, ob Sie wirklich noch schnell Öl oder Gas einbauen.
Der Gaul, auf den Sie aufsatteln ist kurz vor dem Ableben. Die CO2-Bepreisung wird ihm, zumindest für Sie, den Garaus machen und synthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff werden ihn nicht wiederbeleben.
Aussagen wie, „man könne ja heute noch gar nicht wissen welche Technologie das Rennen macht“ sind populistisch und entbehren jeder sachlichen Grundlage.
Wilhelm Lüdeker
PS.: Dieselbe Überlegung greift im Übrigen auch, wenn es um das Energiesparen geht.
Jede Effizienzsteigerung, die wir bei unseren Wohngebäuden erzielen (z.B. durch Dämmung) bedeutet, dass wir im selben Maße weniger grüne Energiekapazitäten aufbauen müssen.
Die positiven Konsequenzen sollten Ihnen unmittelbar klar sein.