31 Jahre Freude Kein Tag war wie der andere

 

Jutta Krauth verabschiedet sich als Leiterin des Kinderhauses Maria am Wege und tritt ab August in den wohlverdienten Ruhestand

Die erste Berufserfahrung machte Jutta Krauth direkt nach Ihrer Ausbildung in der Heimerziehung, wo sie u. a. Kinder und Jugendliche betreute, die nur wenig jünger waren als sie. Jeder Tag war anders – so konnte sie wertvolle Lebenserfahrungen sammeln, die sie nach Ihrem Studium später als Quereinsteigerin ins Kinderhaus mitgebracht hat. Die wichtigste Erkenntnis dabei? „Alles ist Arbeit mit Menschen und jede Erfahrung ist wertvoll – egal ob positiv oder negativ.“

Der Windacher: Wie hat sich das Kinderhaus im Laufe Ihres Berufslebens verändert?

JK: Ursprünglich war das Kinderhaus ja „nur“ ein Kindergarten mit 2 Gruppen und kürzeren Betreuungszeiten. Die Krippe kam erst später mit längeren Betreuungszeiten dazu (2008). Darüber hinaus sorgten im Kindergartenbereich neue Konzepte für stetige Veränderungen. Die Eröffnung der Krippe brachte neue Aufgabenfelder mit sich – Ernährung, Schlafen, Spielen, Laufen Lernen, Sprechen Lernen – eine große Verantwortung für diese kleinen Kinder und Babys. Früher waren die Einrichtungen in sich geschlossener. Heute ist Partizipation zum wichtigen Thema geworden – sei es, dass die Kinder selbst aktiv ihren Alltag mitgestalten oder auch die Eltern. Wir haben 80 Plätze, das heißt 80 unterschiedliche Elternhäuser, die man auf einen Nenner bringen muss. Dazu haben

Abschied als Party: Dancing Queen von ABBA ist der perfekte Song für den ÜberraschungsFlashmob des KinderhausTeams für Jutta.

wir hier im Kinderhaus auch ein großes Team. Man muss alle diese Elemente mit den eigenen Konzepten, den Werten und Vorstellungen in Einklang bringen. Das sind schon große Veränderungen.

Kann man also sagen, dass Ihr gute Manager*innen sein müsst?

Ja, eigentlich sind es echte Manageraufgaben – die Leitung des Kinderhauses selbst und die Arbeit als Erzieher*innen.

Haben Sie mitgezählt, wie viele Kinder Sie betreut haben?

Nein, habe ich nicht. Es sind wahrscheinlich hunderte Kinder. An die meisten erinnere ich mich gut. Bei einigen kommen nun schon die eigenen Kinder ins Kinderhaus.

Hat sich die Kindheit an sich verändert?

Es gibt starke Veränderungen: Die Kompaktheit an Informationen, an Außenstress, das verändert Kinder, das verändert die Psyche. Und ich versuche, im Kinderhaus darauf zu reagieren, indem ich so viele Ruhemöglichkeiten wie möglich für die Kinder schaffe. Ein Kind darf zum Beispiel erstmal ankommen, bevor man sagt: Da müssen wir was tun und da müssen wir was fördern. Ein geschützter Rahmen ist mir sehr wichtig. Die Kinder haben über die Jahre einen wahnsinnigen intellektuellen Sprung gemacht. Allerdings nicht gleichzeitig auch die Seele. Den Kindern zu helfen, die Inhalte zu verarbeiten, Werteerziehung, Emotionale Bindung – dafür braucht man sehr, sehr viel Zeit, um stabile Grundbeziehungen aufzubauen.

Haben Sie ein bestimmtes Erziehungskonzept?

Es gibt sehr unterschiedliche Erziehungsstile. Im Kindergarten haben wir das Einzelkind im Auge, dann die Kleingruppe, in der meistens die Förderangebote stattfinden und dann die Großgruppe, in der sich das Kind selbst managen muss. Wichtig dabei ist es, dass sich jedes einzelne Kind wiederfindet. Ich persönlich habe mich als Montessori-Pädagogin weitergebildet. Das war für mich sehr wertvoll. Ich habe versucht, die Montessori-Prinzipien in meine Arbeit einfließen zu lassen – mit Fokus auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Kinder. In unserem Haus ist aber kein festes Programm vorgegeben. Wir haben einen Bildungsplan als Orientierungshilfe, dabei steht die Persönlichkeit des Kindes im Zentrum.

Gibt es einen Höhepunkt in Ihrem Berufsleben?

Für mich gibt es keine Höhenpunkte und Tiefpunkte. Es gibt Themen, die mich sehr beschäftigen und bei denen es lange dauert, bis man sie verarbeitet hat. Und dann gibt es wieder so ganz lichte Momente, die unheimlich schön sind, wie zum Beispiel, wenn so ein Sommerfest stattfindet und die ganze Gruppe sich wahnsinnig auf dieses Zirkuszelt freut. Und wenn man die Freude bei den Kindern sieht, überträgt sich das auf alle, die Familien und uns.

Was haben Sie bei der Arbeit über sich selbst gelernt?

Man lernt täglich. Selbst, wenn man etwas erfährt, was nicht so toll ist, hat man wieder etwas im Umgang mit Menschen lernen können – egal ob positiv oder negativ – und das bereichert mich.

Gab es Alternativen zum Beruf der Kindergärtnerin?

Ich liebe Kunst und habe auch Kunstgeschichte studiert – also vielleicht etwas Kreatives? Oder irgendwas, was mit Literatur zu tun hat – ich lese sehr viel. Oder vielleicht etwas mit Kochen? Es gibt mehrere Alternativen!

Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand?

Ich habe keine Pläne :). Eigentlich wollte ich mal eine Zeit in meinem Leben ohne Plan verbringen, weil ich oft vieles gleichzeitig gemacht habe. Jetzt möchte ich mit großem Freiraum leben und erleben, wie es sich anfühlt, wenn man aufstehen kann, wann man möchte, lesen, solange man möchte …

Welche Ratschlage würden Sie Eltern heute geben?

Ich finde es persönlich schwierig, Ratschläge zu verteilen. Was mir wichtig ist, ist, dass man offen bleibt und sich nicht ständig durch irgendwelche Ratgeber verunsichern lässt. Es gibt keine goldenen Regeln, Menschen sollten versuchen, friedvoll miteinander klarzukommen. Manchmal gibt es Themen, die man lieber zurückstellen sollte, man muss auch warten können, bis ein Thema reift und wächst. Dazu ist Kommunikation sehr wichtig, und zwar von Mensch zu Mensch und nicht nur am Telefon oder per Sozialmedien. Familien sollten persönliche Freiräume im Leben ihrer Kinder schaffen, auch später, wenn die Kinder schon im Schulalter sind.

Haben Sie noch eine Botschaft an unsere Leser*innen?

Ich möchte mich recht herzlich bei allen bedanken, die Kinder zur Welt bringen und diese später in unsere Hände geben. Denn es ist eine große Freude und ein Glück, mit Kindern arbeiten zu dürfen. Und dann würde ich mich gerne bei allen Kindern bedanken, für alles, was von ihnen gekommen ist, das so unterschiedlich und so wertvoll war.

Vielen Dank für das Gespräch. Der Windacher wünscht Jutta Krauth alles Gute und Gesundheit für den Eintritt in Ruhestand.

 

Text: Martina Chalon

Fotos: Nicole Springer